Teil 2:

Wege in der infrastrukturellen Freizeitentwicklung

1. Vorbemerkungen zum Thema "Sanfter Tourismus"

Das Umweltbewußtsein der Reisenden und ihr Bedürfnis nach "heiler Natur" ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies zeigen übereinstimmend Umfragen des Studienkreises für Tourismus in Starnberg und des Münchner Institutes Infratest. "Unberührte Natur", "Ursprünglichkeit" überwiegt für mehr als die Hälfte der Bevölkerung als Motiv bei der Urlaubsgestaltung. Naturerlebnis und Landschaft sind für 45 - 60% der Reisenden wichtige Aspekte bei der Auswahl des Urlaubsortes. Für zwei Drittel der Befragten stellt schließlich Umweltverschmutzung Urlaubsziel - Barriere Nummer eins dar. Die Studien sehen einen deutlichen Trend zu umweltbewußterem Freizeitverhalten, der besonders von den Zielgruppen ausgeht, die viele Touristikmanager aus wirtschaftlichen Gründen im Visier haben.

1.2. Das "sanfte" Nachfragepotential

überdurchschnittlich interessiert an umweltverträglichen Touristik-Angeboten ist nämlich die kaufkräftige Gruppe der 20- bis 49 jährigen mit den Merkmalen:

- gehobenes bis hohes Bildungsniveau;

- eher aus höheren sozialen Schichten

- berufstätig; häufig in qualifizierten bis leitenden Funktionen oder als Selbständige;

- relativ hohes Haushalts - Nettoeinkommen;

- reiseerfahrener, vor allem mehr zusätzliche Zweit- und Dritturlaube

- im Urlaub aktiver, z.B. mehr sportliche Betätigung

- kritischer gegenüber Umweltfragen;

Dieser Gruppe ist das Gut Umwelt viel wert. Sie ist, so die Infratest - Studie, bereit, sowohl finanziell als auch persönliche Opfer für den Umweltschutz zu bringen. Die Umwelt- und Öffentlichkeitsaktiven Bürger dieser Zielgruppe greifen gesellschaftliche Trends und innovative Angebote, die in ihr Wertsystem passen und zu denen ohne Zweifel auch der sanfte Tourismus gehört, frühzeitig auf und helfen, sie zu verbreiten.

1.3. Was ist sanfter Tourismus?

Sanfter Tourismus ist seiner Idee nach ein ganzheitlicher Ansatz, der Wechselwirkungen (soziale, ökologische, ökonomische, kulturelle, politische etc.) mitdenkt. Er verfolgt das zentrale Ziel:

- naturnahe Landschaften zu erhalten oder zu schaffen;

- die Umweltbelastungen durch Tourismus auf ein Minimum zu reduzieren;

- die touristische Infrastruktur an die "örtlichen Gegebenheiten anzupassen und vorhandene Ressourcen zu nutzen;

- den Einheimischen Selbstbestimmung und entscheidende Mitwirkung an der Entwicklung zu garantieren;

- eine touristische Monostruktur zu verhindern, indem auch andere Wirtschaftszweige gefördert werden;

- Wachstum an den Bedürfnissen der Region und nicht allein an den wirtschaftlichen Interessen einzelner zu definieren;

1.4. Wie ist sanfter Tourismus zu verwirklichen?
Planungsschwerpunkte in den Kommunen:

- Schonung der natürlichen Ressourcen der Umwelt, nach Möglichkeit fördern;

- Erhöhung der Lebensqualität für Einheimische und Gäste;

- keinen Raubbau an den natürlichen Ressourcen;

- nicht zum Fremden in der eigenen Heimat werden;

- nicht zusehen, wie externe Großinvestoren die Gewinne abschöpfen;

- keine Infrastrukturen bezahlen und herstellen, die für die eigenen Lebenspraxis keine Bedeutung haben.

2. Video: 2.Teil "Auf und davon - Weltmacht Tourismus" Dokumentation von Werner Fitzthum und Karo Wolm, Erstsendung ARD 12.04.1992
3. Projekte die sanften Tourismus verwirklichen
3.1. Hotel Ucliva in Waltensburg (Schweiz)

Beginn des Projektes: 1978 mit der Gründung der "Corporaziun Quaterfegl" zur Förderung eines "vernünftigen" Fremdenverkehrs und Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen um der Abwanderung der Jugendlichen entgegenzuwirken.

Planungsphase:

- in der Planungsphase soll Rücksicht auf die Zusammenhänge zwischen Mensch, Natur, Gesellschaft und Wirtschaft genommen werden;

- Priorität hat die Förderung des kulturellen und sozialen Kontaktes zwischen Besuchern und Einheimischen;

- Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der genossenschaftlichen betreibe;

Projektbeschreibung:

Projekt: Hotel Ucliva

Träger: Corporaziun Quaterfegl

Adresse: CH-7185 Waltensburg/Vuorz

Standort/Erreichbarkeit: innerörtlich, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel

Bauausführung: regionaltypisch, "ökologisch"

Energie-/Wasserversorgung: Holzvergasung, Sonnenkollektoren

Verpflegung: regionale Produkte, Vollwertkost, saisonangepaßt

Reinigung/Pflege: umweltgerechte Pflege-/Waschmittel

Abfall/Entsorgung: Vermeidung von Abfall, Trennung, Kompostierung

Garten/Außenanlagen: keine Flächenversiegelung, naturnah

Freizeitangebot: kulturelle und Umweltbezogene Veranstaltungen

Gesteinformation/Werbung/

Preisgestaltung: Umwelttips, Mithilferabatt z.B. bei Waldarbeit

Sonstiges: behindertengerecht, kinderfreundlich

Geschäftsführung: "sanfte Gesamtkonzeption"

3.2. Gemeinde Hindelang

Die Kulturlandschaft im Alpenraum wurde jahrhundertelang von Bauern geprägt. Die Böden warfen nur magere Erträge ab. Durch Extensivierung der Landwirtschaft war die Landschaft der Streu- und Buckelwiesen und Moore gefährdet. Die Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte waren zu gering, um die Existenz der ansässigen Bauern langfristig zu sichern. Es drohte Abwanderung.

Eine EG-Verordnung schuf die Rahmenbedingungen für eine nationale und regionale Förderung umweltorientierter Landnutzung. Bauern, die auf höhere landwirtschaftliche Erträge verzichten, erhalten staatliche Zuschüsse.

Dies und die Einstellung eines Diplomlandwirtes über den Bund Naturschutz in Bayern e.V. für die Beratung der Bauern in ökologischen Fragen waren der Grundstein für das "Öko-Modell Hindelang". Die Bauern verzichteten auf den Einsatz von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmittel, Schnittzeiten für Wiesen wurden neu geregelt und damit Blumenvielfalt und Insektenreichtum erhalten. Heute sichert diese Wirtschaftsweise den Bäuerinnen und Bauern ein Zusatzeinkommen. 40% des Einkommens kommt aus der Landwirtschaft, 20% aus der Alm- und Waldwirtschaft, 40% stammen aus Entgelt für gesamtgesellschaftliche Leistungen.

Das Landwirtschaftsprojekte soll durch ein umfassendes Fremdenverkehrskonzept mit dem Fremdenverkehrsbeirat der Gemeinde erarbeitet werden.

Die landwirtschaftlichen Produkte sollen in eigenen Betrieben weiterverarbeitet und in den Hotels und Gastronomiebetrieben des Ortes verarbeitet werden. Ebenfalls wurden bereits vorhandene Erfahrungen mit Vollwertkost, Abfalltrennung und -vermeidung sowie Energieeinsparung durch den Alpengasthof Krone in Hindelang-Unterjoch in das Konzept eingebracht.

Projektbeschreibung:
Projekt: Öko-Modell Hindelang
Träger: Gemeinde Hindelang
Adresse: Marktstraße 9
D-87541 Hindelang/Oberallgäu
Wohnen: "umweltverträgliche Urlaubswochen"
Essen/Trinken: Direkteinkauf bei Ökobauern
Natur/Landschaft: "Öko-Modell" Hindelang/Landwirtschaft
Verkehr: Umweltticket
Tourist-Information Marktstr. 9 87541 Hindelang Telnr : (08324) 19433
3.3. SSR-Reisen
Die Genossenschaft "Schweizerischer Studentenreisedienst" (SSR) wurde 1961 als Selbsthilfeorganisation von Studenten und Studentinnen gegründet.
SSR berücksichtigt in seinem Konzept:

- Anliegen des Umweltschutzes;

- sparsamer und sorgfältiger Umgang mit natürliche Ressourcen;

- soziale und kulturellen Auswirkungen;

Projektbeschreibung:

Projekt/ Genossenschaft

Träger: Schweizerischer Studentenreisedienst - SSR-Reisen

Adresse: Bäckerstraße 52

CH-8026 Zürich

Urlaubsprogramm/Freizeitaktivitäten: u.a. Angebot von naturbezogenen Reisen, Reisen mit tourismuskritischen Themen

Reiseleitung: Schulung bezüglich Umwelt- und Sozialverträglichkeit

Prospektgestaltung: selbst herausgegebene Broschüren mit Themen zur Umwelt- und Sozialverträglichkeit, Recyclingpapier

Unternehmensführung: kooperativer Führungsstiel, Arbeitsgruppe für Umweltverträgliches Reisen

Reisevor- und -nachbereitung/Gästeinformation: Infopaket, Informationstreffen vor Reisebeginn

Diese Angaben sind ohne Gewähr.

Sollten Sie an sanftem Tourismus interessiert sein, fragen Sie vor der Buchung bei den Reiseveranstaltern und den örtlichen Tourismus-Informationen nach. Dort wird man Sie gerne entsprechend beraten. Für Wanderungen in ausgewiesenen Naturschutzgebieten und Trekkingtouren gilt das gleiche. Wertvolle Tips bei Auslandsreisen geben auch die entsprechenden Tourismuszentralen der jeweiligen Länder.

Hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch auf ein recht interessantes Buch: Peter Meyer Reiseführer, Das Selbstreise-Handbuch, das eine Fülle von Informationen zum Reisen allgemein und den Reiseländern enthält.

Literaturangaben

"Paradies erschlossen - Grün kaputt. Kaum Hinweise auf Umweltprobleme in den Prospekten der Reiseveranstalter"

FVW 15.1.91: "Alle Forscher sind sich einig über die Klima-Folgen"

FVW 7/92 v. 16.03.92 "Alpentourismus. Handeln statt theoretisieren"

FVW, 16.03.92 "Menschenrechte. Noch kein Thema im Tourismus?"

vgl. a. FVW vom 4.12.90 "Touristen sehen sich selbst als wesentliche Verursacher

Spielraum 1/1991 "Sanfte Planung für eine neue kommunalpolitische Planung"

ADAC "Mehr wissen - mehr Handeln"


 
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