Die Beziehungen zwischen Deutschland und
dem Jemen sind vielfältig. Deutschland gilt als bevorzugter Partner
und wird vor allem wegen seines entwicklungspolitischen Engagements geschätzt.
In den letzten Jahren gab es eine intensive Reisediplomatie auf höchster
staatlicher Ebene, bis hin zu den Außenministern und Präsidenten.
Deutsche Entwicklungsfachkräfte sind in den Bereichen Wasser, Gesundheit
und Bildung aktiv. Viele Jemeniten lernen Deutsch, Kulturhilfe fließt
von hier in die Restaurierung der Altstadt von Saana und das deutsche
Interesse am Jemen manifestiert sich nicht zuletzt in Ausstellungen wie
dieser.
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Eröffnungsvortrag
von Josef Scherer
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Herrn Dr. Buchholz danke ich für
die einführenden Worte zur Ausstellungseröffnung.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, |
Der Jemen war bis zur Entmachtung des
letzten zayditischen Imams al-Badr im Jahre 1962 gegenüber
pro-westlichen Einflüssen vollkommen abgeschottet, und hat erst in
den letzten 25 Jahren eine Öffnung zum Westen hin erfahren. Seit
dieser Zeit gibt es auch eine touristische Infrastruktur im Lande. An
der traditionellen Lebensweise der Menschen hat sich bislang wenig geändert.
Trotz dem hat die Moderne auch im Jemen in Form von Computern, Maschinen,
modernen Waffen und autofahrenden Frauen Einzug gehalten. Die dadurch
entstandenen Spannungen führen immer wieder zu gesellschaftlichen
Konflikten, die ihre Ursache auch in sozialen Verwerfungen zwischen Arm
und Reich haben.
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Aus der wechselvollen Geschichte des Landes
seien hier nur einige Beispiele genannt, die die Spannung zwischen dem
Thema der Ausstellung und des Lichtbildervortrages aber auch zwischen
dem antiken, damals reichen und heute armen Jemen verdeutlichen. Es sind
nationale Ereignisse mit zum Teil internationalen Auswirkungen, die das
Land immer wieder negativ in die Schlagzeilen bringen:
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Die Familie Bin Laden hat ihre Wurzeln
im Jemen. Die USA hat den Jemen nach den Terroranschlägen vom
11. September aufgefordert, konsequenter als bisher gegen islamistische
Extremisten im Land vorzugehen. Präsident Saleh hatte daraufhin
US-Präsident Bush zugesagt, "zwei oder drei Stammesführer"
festzunehmen, die Osama Bin Laden unterstützt haben sollen.
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Bei einem Angriff der Armee auf ein
Versteck mutmaßlicher El-Kaida-Terroristen sind am 16.12.2001
im Jemen mindestens zwölf Menschen getötet und 20 weitere
verletzt worden. Danach setzten die Spezialeinheiten der Armee bei
ihrer Attacke auf das Siedlungsgebiet des Stammes Al Dschalal im Osten
des Landes unter anderem Kampfhubschrauber und Panzer ein. Aus Regierungskreisen
hieß es, der Stamm habe sich bislang geweigert, die Extremisten
auszuliefern. Die Gesuchten sollen verschiedenen Nationalitäten
angehören und zum Teil erst kürzlich aus Afghanistan gekommen
sein. Mehrere Stammesführer sollen versuchen, zwischen den Al
Dschalal und der Regierung zu vermitteln.
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Ein Selbstmordkommando zündet
am 12.10.2000 im Hafen von Aden von einem Boot aus eine Bombe in unmittelbarer
Nähe des US-Zerstörers "Cole". Dabei starben 17 US-Soldaten
und 34 wurden verletzt.
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Obwohl die Stämme an der Regierung
mit beteiligt sind, kommt es immer wieder es zu Interessenkonflikten
zwischen Regierung und Stammesgruppen. Dabei geht es um nicht eingehaltene
Versprechungen von Regierungsseite einerseits und andererseits um
die Ausübung von Druck der Stämme auf die Zentralregierung.
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Im Dezember 1998 wird eine westliche
Touristengruppe von Islamisten festgehalten. Bei der anschließenden
Befreiungsaktion durch Regierungstruppen sterben bei einem Schußwechsel
vier der entführten Touristen.
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1997 geschieht das gleiche mit einer
Gruppe von 7 Deutschen, die bei einer Motorradtour als Geiseln von
Stammesangehörigen in der Nähe der omanischen Grenze festgehalten
und nach neun Tagen gegen Lösegeld unbeschadet wieder freigelassen
werden.
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Im Jahre 1430 wird der Ort al-Mukha
gegründet. Er wird einer bis dahin unscheinbaren Bohne, die gebrannt,
gemahlen und mit heißem Wasser aufgebrüht, ein köstliches
Getränk namens "Mokka" - oder wie wir heute sagen "Kaffee" -
ergibt, zu weltweitem Ruhm verhelfen. Aus dem arabischen Mukha wurde
Mokha oder Mokka, aus Kahwa wurde Kaffee.
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Qat gelangt im 11. Jh. n. Chr. in
den Jemen. Aber nicht alle Jemeniten sind von der Droge begeistert.
"Als ein Muslim aus Abessinien die Eigenschaften der Pflanze dem jemenitischen
Herrscher pries, stellte er besonders deren Fähigkeit heraus,
den Appetit auf Essen, Trinken und Sex zu dämpfen. Der König
soll geantwortet haben: »Und welche anderen Vergnügen gibt es
auf dieser irdischen Welt außer diesen? Bei Allah, ich werde
sie niemals essen; ich verwende all mein Tun nur auf diese drei Dinge.
Warum sollte ich ausgerechnet etwas nehmen, das mich der Vergnügungen
beraubt, die ich aus diesen Dingen beziehe?«"
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Die Scharia, das islamische Recht
existiert im Jemen neben dem Stammesrecht, das autonom in Stammesgebieten
durch die Scheichs angewendet wird. Die Scharia ist das Gesetz der
Regierung. Beide Rechtsformen existieren nebeneinander.
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Von den Römern wird der Jemen
im Altertum wegen seines Handels mit Gewürzen, Stoffen, Edelsteinen,
Weihrauch und Myrrhe, "arabia felix" - glückliches Arabien -
genannt.
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Die Handelsroute führt über
die südarabischen Häfen, wo sie verschifft und von Qana
mit Kamelkarawanen über den Landweg, die legendäre Weihrauchstrasse
entlang, durch die südarabischen Königreiche Saba, Ma’in,
Hadramaut, Ausan und Himjar, transportiert wird. Danach führt
der Weg weiter durch die saudische Wüste über Petra in Jordanien
bis nach Gaza zum Mittelmeer, wo die Ladung nach Rom und anderen Orten
per Schiff weiter transportiert wird. An den Zollstationen sind nicht
unerhebliche Zölle zu entrichten, die den Ländern eine Phase
des Friedens und Wohlstandes garantieren.
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Aus der Bibel wissen wir, dass die
Königin von Saba, die von der Weisheit und dem Reichtum König
Salomos (um 950 v. Chr.) gehört hat, diesen mit großem
Gefolge und Gastgeschenken wie Balsam, einer Menge Gold und Edelsteinen
besuchte, um ihm Rätselfragen zu stellen. Ob es die Königin
von Saba wirklich gab, wissen wir nicht. Fest steht jedoch, dass es
zwischen Israel und dem jemenitischen Reich von Saba Handelsbeziehungen
gab, die sich nicht nur auf den Handel mit Weihrauch beschränkt
haben dürften.
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In unserer Zeit können auch die seit
1984 erschlossenen Erdölvorkommen im Süden des Landes nicht
darüber hinweg täuschen, dass der Jemen mit einem durchschnittlichen
jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von ca. 280 US$ zu den 7 ärmsten
Ländern der Welt zählt. Der bedeutendste Wirtschaftssektor ist
die Landwirtschaft und der Export von Baumwolle, Kaffee, Obst und
Gemüse. Der von der Regierung in Sana'a eingeleitete Industrialisierungsprozeß
steht noch am Anfang.
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Lassen Sie uns nun einige der ausgestellten
Bilder anschauen, zu denen ich noch ein paar Sätze sagen möchte.
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Bei diesem Bild sehen wir um das
Fenster eine sehr schöne Steinornamentik. Dies ist ein Merkmal,
dass wir in der islamischen Architektur häufiger finden. Die
geometrischen Muster an den Häuserfassaden sind uralte Symbole
des Glaubens an die schützende Magie bestimmter Ornamente wie
Dreiecke oder Rauten. Sie sollen von den Bewohnern Gefahren und
den bösen unheilbringenden Blick abwehren und ihnen die heilige
Kraft des Baraka bringen.
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Überall wo wir hin kamen trafen
wir auf Kinder, die uns wie hier in Shibam (Nordjemen) ihr Spielzeug
zeigten. Einmal befanden wir uns an einem Steilhang und konnten
nur Kinderstimmen hören. Die Kinder, die im Tal die Ziegen
hüteten, kletterten barfuß den Hang hinauf um zu begrüßen.
Der Jemen hat 17,5 Mio. Einwohner mit sehr
junger Altersstruktur. Die Altersgruppe der 0 - 14 Jährigen
beträgt alleine 47%, die der 15 - 64 Jährigen hat mit
50,1% den höchsten Anteil an der Bevölkerung. Die Altersgruppe
65 jahre und älter ist nur mit 2,9% vertreten. Dies hängt
mit der geringeren Lebenserwartung und der damit verbundenen früheren
Alterssterblichkeit dieser Gruppe zusammen.
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In der islamischen Gesellschaft unterliegt
das öffentliche Leben einer strikten Trennung von Mann und
Frau. Damit Frauen das Leben auf der Strasse beobachten können,
haben die Fenster der Frauengemächer Holzgitter vor den Fenstern
um Sie vor den Blicken der Männer zu schützen. So können
sie beobachten, was draussen geschieht, ohne selbst gesehen zu werden.
Die jungen Frauen wissen deshalb oft schon vor der Eheschließung
wie ihr Bräutigam aussieht.
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Wir sehen hier einen
alten, augedienten Aufzugsmotor, der achtlos und angerostet am Rande
der Straße liegt. Wenn man das Bild genau betrachtet, sieht
man im Hintergrund den Teil eines Autoreifens. In diesem Bild wird
durch die beiden Gegensätze "alt" und "neu"
die Spannung, die im Jemen zwischen Tradition und Moderne besteht,
am besten deutlich.
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