Unbekannter Jemen - Im Reich der Königin von Saba

Eröffnung der Ausstellung in der VHS im Altstadt-Center am 27.01.2003

Eröffnungsrede von Dr. Jochen Buchholz; VHS Bonn, Fachbereich I Sozialwissenschaften

Die erste Ausstellung im neuen Jahr entführt uns in das an mystischen Legenden und sagenhaften Abenteuern reiche Land der Königin von Saba, an das südliche Ende der Arabischen Halbinsel. Es ist eine Bilderreise zwischen Antike und Neuzeit. Vielen von uns fehlt es an konkretem Wissen über den Jemen, man hat schon mal Fotos malerischer Lehmhäuser gesehen oder das Fernsehen berichtete wieder einmal über Kidnapping von Touristengruppen.

Josef Scherer ist so etwas auf seiner Informationsreise durch den Jemen nicht widerfahren. Er ist zurückgekehrt mit einer reichen Ausbeute von Bildmaterial, das uns einen Einblick in die alte Kultur dieses Landes und seine spannungsgeladene Gegenwart bietet.

Eröffnungsvortrag
In Anwesenheit von Dr. Buchholz von der VHS Bonn (rechts i. Bild) erklärt Josef Scherer einige der Fotos dem aufmerksam lauschenden Publikum. Foto F. Pütsch.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Jemen sind vielfältig. Deutschland gilt als bevorzugter Partner und wird vor allem wegen seines entwicklungspolitischen Engagements geschätzt. In den letzten Jahren gab es eine intensive Reisediplomatie auf höchster staatlicher Ebene, bis hin zu den Außenministern und Präsidenten. Deutsche Entwicklungsfachkräfte sind in den Bereichen Wasser, Gesundheit und Bildung aktiv. Viele Jemeniten lernen Deutsch, Kulturhilfe fließt von hier in die Restaurierung der Altstadt von Saana und das deutsche Interesse am Jemen manifestiert sich nicht zuletzt in Ausstellungen wie dieser.

Eröffnungsvortrag von Josef Scherer
Herrn Dr. Buchholz danke ich für die einführenden Worte zur Ausstellungseröffnung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Der Jemen war bis zur Entmachtung des letzten zayditischen Imams al-Badr im Jahre 1962 gegenüber pro-westlichen Einflüssen vollkommen abgeschottet, und hat erst in den letzten 25 Jahren eine Öffnung zum Westen hin erfahren. Seit dieser Zeit gibt es auch eine touristische Infrastruktur im Lande. An der traditionellen Lebensweise der Menschen hat sich bislang wenig geändert. Trotz dem hat die Moderne auch im Jemen in Form von Computern, Maschinen, modernen Waffen und autofahrenden Frauen Einzug gehalten. Die dadurch entstandenen Spannungen führen immer wieder zu gesellschaftlichen Konflikten, die ihre Ursache auch in sozialen Verwerfungen zwischen Arm und Reich haben.

Aus der wechselvollen Geschichte des Landes seien hier nur einige Beispiele genannt, die die Spannung zwischen dem Thema der Ausstellung und des Lichtbildervortrages aber auch zwischen dem antiken, damals reichen und heute armen Jemen verdeutlichen. Es sind nationale Ereignisse mit zum Teil internationalen Auswirkungen, die das Land immer wieder negativ in die Schlagzeilen bringen:

  • Die Familie Bin Laden hat ihre Wurzeln im Jemen. Die USA hat den Jemen nach den Terroranschlägen vom 11. September aufgefordert, konsequenter als bisher gegen islamistische Extremisten im Land vorzugehen. Präsident Saleh hatte daraufhin US-Präsident Bush zugesagt, "zwei oder drei Stammesführer" festzunehmen, die Osama Bin Laden unterstützt haben sollen.

  • Bei einem Angriff der Armee auf ein Versteck mutmaßlicher El-Kaida-Terroristen sind am 16.12.2001 im Jemen mindestens zwölf Menschen getötet und 20 weitere verletzt worden. Danach setzten die Spezialeinheiten der Armee bei ihrer Attacke auf das Siedlungsgebiet des Stammes Al Dschalal im Osten des Landes unter anderem Kampfhubschrauber und Panzer ein. Aus Regierungskreisen hieß es, der Stamm habe sich bislang geweigert, die Extremisten auszuliefern. Die Gesuchten sollen verschiedenen Nationalitäten angehören und zum Teil erst kürzlich aus Afghanistan gekommen sein. Mehrere Stammesführer sollen versuchen, zwischen den Al Dschalal und der Regierung zu vermitteln.

  • Ein Selbstmordkommando zündet am 12.10.2000 im Hafen von Aden von einem Boot aus eine Bombe in unmittelbarer Nähe des US-Zerstörers "Cole". Dabei starben 17 US-Soldaten und 34 wurden verletzt.

  • Obwohl die Stämme an der Regierung mit beteiligt sind, kommt es immer wieder es zu Interessenkonflikten zwischen Regierung und Stammesgruppen. Dabei geht es um nicht eingehaltene Versprechungen von Regierungsseite einerseits und andererseits um die Ausübung von Druck der Stämme auf die Zentralregierung.

  • Im Dezember 1998 wird eine westliche Touristengruppe von Islamisten festgehalten. Bei der anschließenden Befreiungsaktion durch Regierungstruppen sterben bei einem Schußwechsel vier der entführten Touristen.

  • 1997 geschieht das gleiche mit einer Gruppe von 7 Deutschen, die bei einer Motorradtour als Geiseln von Stammesangehörigen in der Nähe der omanischen Grenze festgehalten und nach neun Tagen gegen Lösegeld unbeschadet wieder freigelassen werden.

  • Im Jahre 1430 wird der Ort al-Mukha gegründet. Er wird einer bis dahin unscheinbaren Bohne, die gebrannt, gemahlen und mit heißem Wasser aufgebrüht, ein köstliches Getränk namens "Mokka" - oder wie wir heute sagen "Kaffee" - ergibt, zu weltweitem Ruhm verhelfen. Aus dem arabischen Mukha wurde Mokha oder Mokka, aus Kahwa wurde Kaffee.

  • Qat gelangt im 11. Jh. n. Chr. in den Jemen. Aber nicht alle Jemeniten sind von der Droge begeistert. "Als ein Muslim aus Abessinien die Eigenschaften der Pflanze dem jemenitischen Herrscher pries, stellte er besonders deren Fähigkeit heraus, den Appetit auf Essen, Trinken und Sex zu dämpfen. Der König soll geantwortet haben: »Und welche anderen Vergnügen gibt es auf dieser irdischen Welt außer diesen? Bei Allah, ich werde sie niemals essen; ich verwende all mein Tun nur auf diese drei Dinge. Warum sollte ich ausgerechnet etwas nehmen, das mich der Vergnügungen beraubt, die ich aus diesen Dingen beziehe?«"

  • Die Scharia, das islamische Recht existiert im Jemen neben dem Stammesrecht, das autonom in Stammesgebieten durch die Scheichs angewendet wird. Die Scharia ist das Gesetz der Regierung. Beide Rechtsformen existieren nebeneinander.

  • Von den Römern wird der Jemen im Altertum wegen seines Handels mit Gewürzen, Stoffen, Edelsteinen, Weihrauch und Myrrhe, "arabia felix" - glückliches Arabien - genannt.

  • Die Handelsroute führt über die südarabischen Häfen, wo sie verschifft und von Qana mit Kamelkarawanen über den Landweg, die legendäre Weihrauchstrasse entlang, durch die südarabischen Königreiche Saba, Ma’in, Hadramaut, Ausan und Himjar, transportiert wird. Danach führt der Weg weiter durch die saudische Wüste über Petra in Jordanien bis nach Gaza zum Mittelmeer, wo die Ladung nach Rom und anderen Orten per Schiff weiter transportiert wird. An den Zollstationen sind nicht unerhebliche Zölle zu entrichten, die den Ländern eine Phase des Friedens und Wohlstandes garantieren.

  • Aus der Bibel wissen wir, dass die Königin von Saba, die von der Weisheit und dem Reichtum König Salomos (um 950 v. Chr.) gehört hat, diesen mit großem Gefolge und Gastgeschenken wie Balsam, einer Menge Gold und Edelsteinen besuchte, um ihm Rätselfragen zu stellen. Ob es die Königin von Saba wirklich gab, wissen wir nicht. Fest steht jedoch, dass es zwischen Israel und dem jemenitischen Reich von Saba Handelsbeziehungen gab, die sich nicht nur auf den Handel mit Weihrauch beschränkt haben dürften.

  • In unserer Zeit können auch die seit 1984 erschlossenen Erdölvorkommen im Süden des Landes nicht darüber hinweg täuschen, dass der Jemen mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von ca. 280 US$ zu den 7 ärmsten Ländern der Welt zählt. Der bedeutendste Wirtschaftssektor ist die Landwirtschaft und der Export von Baumwolle, Kaffee, Obst und Gemüse. Der von der Regierung in Sana'a eingeleitete Industrialisierungsprozeß steht noch am Anfang.

    Lassen Sie uns nun einige der ausgestellten Bilder anschauen, zu denen ich noch ein paar Sätze sagen möchte.

    Bei diesem Bild sehen wir um das Fenster eine sehr schöne Steinornamentik. Dies ist ein Merkmal, dass wir in der islamischen Architektur häufiger finden. Die geometrischen Muster an den Häuserfassaden sind uralte Symbole des Glaubens an die schützende Magie bestimmter Ornamente wie Dreiecke oder Rauten. Sie sollen von den Bewohnern Gefahren und den bösen unheilbringenden Blick abwehren und ihnen die heilige Kraft des Baraka bringen.

     

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    Überall wo wir hin kamen trafen wir auf Kinder, die uns wie hier in Shibam (Nordjemen) ihr Spielzeug zeigten. Einmal befanden wir uns an einem Steilhang und konnten nur Kinderstimmen hören. Die Kinder, die im Tal die Ziegen hüteten, kletterten barfuß den Hang hinauf um zu begrüßen. Der Jemen hat 17,5 Mio. Einwohner mit sehr junger Altersstruktur. Die Altersgruppe der 0 - 14 Jährigen beträgt alleine 47%, die der 15 - 64 Jährigen hat mit 50,1% den höchsten Anteil an der Bevölkerung. Die Altersgruppe 65 jahre und älter ist nur mit 2,9% vertreten. Dies hängt mit der geringeren Lebenserwartung und der damit verbundenen früheren Alterssterblichkeit dieser Gruppe zusammen.

    In der islamischen Gesellschaft unterliegt das öffentliche Leben einer strikten Trennung von Mann und Frau. Damit Frauen das Leben auf der Strasse beobachten können, haben die Fenster der Frauengemächer Holzgitter vor den Fenstern um Sie vor den Blicken der Männer zu schützen. So können sie beobachten, was draussen geschieht, ohne selbst gesehen zu werden. Die jungen Frauen wissen deshalb oft schon vor der Eheschließung wie ihr Bräutigam aussieht.

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    Wir sehen hier einen alten, augedienten Aufzugsmotor, der achtlos und angerostet am Rande der Straße liegt. Wenn man das Bild genau betrachtet, sieht man im Hintergrund den Teil eines Autoreifens. In diesem Bild wird durch die beiden Gegensätze "alt" und "neu" die Spannung, die im Jemen zwischen Tradition und Moderne besteht, am besten deutlich.

     
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    © 2003 - 2006 Photos by J. Scherer