DIE BAGDADBAHN

Die Bagdadbahn ist eine 3.205 Kilometer lange Eisenbahnstrecke von Istanbul in der Türkei nach Bagdad im Irak. Die Streckenführung geht aus von Istanbul über Konya, Adana, Aleppo und Mosul bis nach Bagdad und Basra am Persischen Golf.

Am 13. und 14. Dezember 1912 wurden die ersten 200 Kilometer der Bagdadbahn dem Betrieb übergeben. Am 15. Dezember 1912 fuhr der erste planmäßige Zug auf der Strecke. Deutsche Bauingenieure reisten damals in den Vorderen Orient, um unter extremen Herausforderungen an das berufliche Können und die eigene Gesundheit die 3.205 Kilometer lange Bahnstrecke von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, nach Bagdad und die angebundene Hedschasbahn nach Medina zu bauen. Insbesondere die Bagdadbahn sollte Deutschland eine direkte Verbindung zwischen Hamburg an der Nordsee und dem ölreichen Mesopotamien am Persischen Golf eröffnen. Dies hätte zur Vergrößerung seines Einflusses im Osmanischen Reich geführt.

Bagdadglocke im Bahnhof von Aleppo

Die beiden Strecken, ingenieurtechnische Meisterleistungen, sind unter maßgeblicher Beteiligung deutscher Firmen, vor allem des Baukonzerns Philipp Holzmann AG aus Frankfurt am Main und der Deutschen Bank unter Georg von Siemens (1839-1901) als Finanzier, erbracht worden.

Georg von Siemens wollte sich ursprünglich nicht an der Finanzierung beteiligen, da ein wirtschaftlicher Betrieb nicht gesichert schien. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) setzte die Deutsche Bank jedoch unter Druck, indem er mit dem Entzug inländischer Aufträge drohte.

Die Firma Holzmann übernahm neben den Streckenarbeiten auch den Bau vieler Bahnstationen und vor allem großer Bahnhöfe. Die Schienen lieferte die Firma Friedrich Krupp AG und die Dampfloks stammten von den Firmen Borsig, Cail, Hanomag, Henschel und Maffei. Auch deutsche Ingenieure leisteten dabei beachtliches, besonders Heinrich August Meissner.

Während der Bauarbeiten wurden bedeutende archäologische, botanische und zoologische Entdeckungen gemacht. Eine technische Großleistung war unter anderem die Errichtung des Giaurdere-Viaduktes im Taurus-Gebirge. Zeitweise waren über 35.000 Arbeiter bei dem Projekt beschäftigt. Die Bagdadbahn spielte im 1. Weltkrieg eine keineswegs zu unterschätzende Rolle.

Im 19. Jahrhundert schrumpfte das Osmanische Reich immer mehr und deren Hauptstadt Konstantinopel rückte an den äußersten Rand des Staatsgebietes. “Der kranke Mann am Bosporus“, wie Sultan Abdul Hamid II. (1842-19 18) damals genannt wurde, hoffte mittels eines leistungsfähigen Transportsystems, gebaut von seinem engsten Verbündeten, dem Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm II., das politische und wirtschaftliche Ende seines Vielvölkerstaates verhindern zu können.

Am 8. Oktober 1888 schließt ein deutsches Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank mit dem Osmanischen Reich einen Vertrag zum Bau und Betrieb der Anatolischen Eisenbahn, dem Vorläufer der Bagdadbahn. Von Haidar Pascha aus, dem prachtvollen, im Jahre 1905 von der Firma Holzmann erbauten Bahnhof auf der asiatischen Seite Konstantinopels, entstehen die beiden Strecken nach Ankara, eröffnet am 31. Dezember 1892 und Konya, eröffnet am 29. Juli 1896.

Sultan Abdul Hamid II. ist hoch erfreut. So wird am 13. April 1903, wiederum unter deutscher Führung, die Bagdader Eisenbahngesellschaft gegründet.

Über Bagdad und Kuwait hinaus geführt, hätte diese Linie zum schnellsten und wirtschaftlichsten Verkehrsweg zwischen Europa und Indien werden können. Doch die Bahn gerät in den Brennpunkt der Orientpolitik der damaligen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland und damit auch in den Sog des 1. Weltkrieges. Auf den fertig gestellten Abschnitten, es waren im Jahre 1914 erst 1.094 Kilometer, werden vor allem Truppen und Waffen für die deutsch-osmanische Allianz transportiert.

Doch die am 1. Weltkrieg beteiligten Völker ordneten die politische Landkarte komplett neu. Das Osmanische Reich verschwand und Mustafa Kemal (1881-1938) rief am 29. Oktober 1923 die Republik Türkei aus. Die Bagdadbahn blieb zunächst unvollendet. Erst im Jahre 1936 begann der irakische Staat die Lücken zu schließen. Am 17. Juli 1940 war die Eisenbahnstrecke fertiggestellt.

52 Jahre nach Erteilung der Konzession erreicht der erste “Taurus-Express“ von Istanbul auf direktem Wege, diesmal ohne deutsche Beteiligung, den Zielbahnhof Bagdad.

Die wohl berühmteste Passagierin war die “Queen of Crime“ Agatha Christie (1890-1976). Sie fuhr in den Jahren 1928 und 1930 mit dem Orient-Express nach Bagdad. Damals gab es noch keine durchgehende Zugverbindung und für einige Streckenabschnitte mußten die Passagiere auf Busse umsteigen.

Die Bagdadbahn und Politik waren von Beginn an untrennbar miteinander verbunden. In friedlichen Jahren transportierten die Züge Getreide aus den Kornkammern um Konya nach Konstantinopel, im Krieg vor allem Waffen sowie osmanische und deutsche Truppen zu den Fronten in Mesopotamien und Palästina.

Erst vor zwei Jahren unterzeichneten türkische und irakische Eisenbahner ein Abkommen, das die Wiederaufnahme einer durchgehenden Zugverbindung von Istanbul nach Bagdad vorsah. Der Ausbruch des zweiten Golfkrieges machte jedoch alle Pläne zunichte, wie so oft ... 


QUELLENVERZEICHNIS

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung von Herrn Alfons Stettner zur Verfügung gestellt.


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